Probstdorf als Vorzeige-Biodiversitätsdorf
Eine Modellregion, die sich der Biodiversität verschrieben hat
Drei Modellregionen, ein niederösterreichisches Dorf und jede Menge Biodiversität: Österreichweit zeigen drei Modellregionen wie sich Biodiversität gut in der Praxis umsetzen lässt. Eine davon befindet sich in Niederösterreich: Das Probstdorfer Biodiversitätsdorf liefert seit 2022 wertvolle Erkenntnisse in Sachen Biodiversität mit dem Ziel, dem Biodiversitätsverlust und dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Naturschutz durch Vernetzung
Durch die Verbindung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen – sogenannten Biotopverbundsystemen – kann man die Natur besser schützen, als wenn nur Einzelmaßnahmen ergriffen werden. Das BML Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft hat mit EU-Unterstützung drei Regionen als Beispiel ausgewählt, wo geforscht werden soll. Diese Erkenntnisse sollen dann in ganz Österreich angewendet werden. Die Auswahl der drei Modellregionen berücksichtigte die unterschiedliche Intensität der Bewirtschaftung österreichischer Acker- und Grünlandgebiete. Probstdorf hat österreichweit den Zuschlag für den Bereich intensiver Ackerbauregionen erhalten. In einem zweijährigen Zeitraum, nämlich von Herbst 2022 bis Herbst 2024, soll die Ist-Situation zur Biodiversität erhoben und analysiert werden. Darauf aufbauend soll die Erarbeitung und Umsetzung konkreter Maßnahmen gemeinsam mit Bäuerinnen und Bauern, zahlreichen Expert:innen aus der Landtechnik, der Landentwicklung, der Landschaftsplanung und aus dem Bereich der Biodiversität sowie mit Stakeholder:innen erfolgen.
Bemerkenswert in der Modellregion Probstdorf ist vor allem, dass es sich um eine Initiative handelt, die von den Landwirt:innen selbst kommt, um hier als Gemeinschaft ein Netzwerk von Biodiversitätsflächen im Ortsgebiet zu schaffen, das österreichweit als Vorbild dienen soll.
Die ersten Erfolge werden sichtbar
Im Jahr 2021 wurde durch die Privatinitiative „Blatt Biodiversität“ des Probstdorfer Bauern Thomas Blatt das Projekt Biodiversitätsdorf Probstdorf ins Leben gerufen. Die Ansaaten, die 2023 mit Blatt Biodiversität durchgeführt wurden, führten zu einer erfreulichen und artenreichen Entwicklung der Bestände. Dies ist unter anderem auf die vielfältigen Saatgutmischungen zurückzuführen, die nicht nur den Pflanzen, sondern auch den Insekten zugutekommen. Die Schwebfliegen-Forscherin Marcia Stahrmüller konnte in Probstdorf eine spezielle Art von Schwebfliege identifizieren. Schwebfliegen sind äußerst wichtig, denn sie gehören neben Honig- und Wildbienen zu den wichtigsten Bestäubern.
Praxis und Wissenschaft Hand in Hand
In der Modellregion wird nichts dem Zufall überlassen, denn die Biodiversitätsflächen der landwirtschaftlichen Betriebe werden fachlich begleitet. Egal ob bei der Pflege, beim Monitoring oder bei der Anlage - überall stehen Expert:innen mit Rat und Tat zur Seite. So ist sichergestellt, dass Flächen dort angelegt werden, wo es ökologisch am sinnvollsten ist und Rebhühner, Wildbienen, Schwebfliegen, Fledermäuse sowie Blütenpflanzen bestmöglich profitieren.
Auf das Rebhuhn gekommen
Doch was hat das Rebhuhn damit zu tun? Das Rebhuhn ist das Symbol des Biodiversitätsdorfs Probstdorf. Das ist einerseits auf seine Verbreitung in Probstdorf und andererseits auf Grund seiner Eigenschaft als Bioindikator zurückzuführen. In einem Monitoring wird seit 2022 das Rebhuhnvorkommen in Probstdorf erfasst. Kommt das Rebhuhn in einem Gebiet vor, so ist dort auch eine Vielzahl anderer Arten vorhanden. Das Rebhuhn zeigt damit an, ob die Biodiversität in der Kulturlandschaft in Ordnung ist.
Wie Blühflächen und Gewichtszunahme bei Rebhühnern zusammenhängen
Im so genannten Farmland Bird Index wurde errechnet, dass seit 1998 der Bestand des einst vielerorts angetroffenen Rebhuhns in Österreich um 84 % gesunken ist. Eine Studie der Universität Göttingen brachte weitere spannende Erkennisse:
- Rebhuhnküken konnten in einem Beobachtungszeitraum von 15 Minuten bei der Nahrungssuche auf Blühflächen eine Gewichtszunahme von 0,4 Gramm aufweisen.
- Auf einer von Insektenarmut geprägten Fläche musste leider im gleichen Beobachtungszeitraum eine Gewichtsabnahme von 0,1 Gramm verzeichnet werden.
- In den ersten Lebenswochen der Jungvögel ist für deren Wachstum an Futter mehr als 90 % an Insekten (insbesondere Ameisenlarven), Spinnen, Weichtieren und Würmern erforderlich.
- Im Erwachsenenstadium ernähren sich die Rebhühner meist vegetarisch.
- In den Wintermonaten bieten stehen gelassene Blühflächen Samen von Wildkräutern und Gräsern, die für das Überleben der Rebhühner notwendig sind.
Die Versuche der Universität Göttingen zeigen deutlich, wie wichtig Blühflächen für den Erhalt des Rebhuhnbestands sind.
Exklusive Saatgutmischung für Probstdorfer Rebhühner
Um den Bestand des Rebhuhns in Probstdorf zu sichern und aufzubauen, haben Expert:innen für Bodenbrüter eine Biodiversitäts-Saatgutmischung namens "Probstdorfer Rebhuhnglück" entwickelt, die speziell auf das Rebhuhn abgestimmt ist. Die Hauptkomponenten bestehen aus heimischen Wildkräutern und Kulturpflanzen, die dem Bedürfnis des Rebhuhns nach Deckung nach oben entsprechen und am Boden auch nicht zu dicht wachsen. Gleichzeitig wird dabei ein hohes Insektenvorkommen für die Aufzucht sowie Samen und grüne Pflanzenteile als Winternahrung gefördert. Die mehrjährige hochwertige Saatgutmischung ist vom in Österreich ansässigem Saatgutunternehmen HESA zusammengestellt worden. Im Frühjahr 2023 wurde auf insgesamt 5 Hektar unterschiedlichen Blühflächen in Probstdorf das "Probstdorfer Rebhuhnglück" ausgesät.
Biodiversität erhält und fördert die Artenvielfalt. Jeder kann einen kleinen Beitrag dazu leisten. Die Beziehung von Biodiversität und Landwirtschaft wird ein wichtiges Thema für die junge Generation von Landwirtinnen und Landwirten sein.
Biodiversitätsdorf als starkes Zeichen für die Zukunft
Mit der Ernennung des Probstdorfer Biodiversitätsdorfes zur Modellregion wird in Niederösterreich einmal mehr ein starkes Zeichen gesetzt. Schon jetzt sind Biodiversität und Landwirtschaft eng miteinander verbunden. Das Projekt wird zusätzlich zeigen, wie die beiden Bereiche in Zukunft noch besser voneinander profitieren können.