Streuobstwiesen
Die traditionelle Form des Obstbaus
Ein mächtiger Stamm und viele Äste, eine wunderschön grünleuchtende Baumkrone mit saftigem Obst – ja, so stellt man sich einen typischen Obstbaum vor. Ein Apfelbaum, daneben ein Birnbaum, vielleicht noch ein Zwetschkenbaum und in der Ferne weiter abgelegen ein Kirschbaum: Willkommen auf der Streuobstwiese.
Was ist eigentlich Streuobst?
Streuobst ist Obst, welches nicht in großen professionellen Obstbaumanlagen produziert wird, denn die Bäume in diesen Anlagen sind klein und wachsen schmächtig in die Höhe.
Deshalb werden Streuobstbäume nicht zur intensiven Obstproduktion verwendet, da sie zu hoch zum Ernten wären und auch viel Platz brauchen. Hier wachsen die köstlichen Vitamine in großen naturgemäß erzogenen Baumkronen auf kräftigen Bäumen, die keine dauerhafte Unterstützung durch ein Gerüst, eine Säule oder einen Pflock brauchen.
Wesentlich sind für Streuobstbestände eine hohe Vielfalt an Obstarten und -sorten, unterschiedliche Stammhöhen, Wuchsformen und auch Altersklassen.
Vom Obstbaum im Vorgarten bis hin zur großen Wiese
Hier, in Österreich, gibt es unterschiedliche Erscheinungsformen von Streuobstbeständen. Die Bäume können zum Beispiel auf Grünland stehen, dann wird diese Fläche Streuobstwiese genannt. Sie kommen aber auch entlang von Straßen und Feldwegen als Baumalleen oder sogar mitten auf Ackerflächen oder in Weingärten vor. Gerne werden auch Obstbäume in Gärten, Haus- und Hofeinfahrten gepflanzt. Dort erfreuen sie als vitaminspendende Einzelbäume die Besitzer.
Was diese Kulturform in Österreich einzigartig in Europa macht, sind die prägenden Bestände an hohen, mächtigen Birnbäumen. Vor allem das Niederösterreichische Mostviertel ist geprägt davon, aber auch in Oberösterreich bis hin in den Salzburger Flachgau erstrecken sich die Streuobstbestände.
Die Besonderheiten vom Streuobst
Streuobst ist ein nachgefragtes Produkt, denn die Sortenvielfalt ist enorm groß und auch für die Saftherstellung hat das Obst die idealen Inhaltsstoffe. Eine umweltschonende Produktionsmethode und nachhaltige Strategien – angefangen bei der Baumpflege, bis hin zur Unternutzung und Düngung – machen diese Wirtschaftsweise aus. Streuobstbestände sind außerdem landschafts- und ortsbildprägend, womit sich der Anwohner identifiziert und wo sich der Tourist gerne erholt. Weiters schaffen und erhalten Streuobstwiesen Lebensräume für Pflanzen- und Tiere. Ein Wohlfühl-Rundumpaket also, das der Erhaltung der Biodiversität und der Sortenvielfalt im Obstbau dient.
Herausforderungen beim Streuobstanbau
Da der Erlös vom Streuobstverkauf nicht im Verhältnis zum Aufwand steht, geht das Interesse daran zunehmend verloren. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts gehen die Streuobstbestände europaweit kontinuierlich zurück, hauptsächlich auf Grund der Rationalisierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft. Waren in Österreich um 1930 noch ca. 35 Mio. Streuobstbäume vorhanden, so sind es heute nur mehr rund 4,2 Mio. Bäume. Der Rückgang hat sich seit den 2000er Jahren zwar verlangsamt, hält aber weiterhin an. Ursache sind mangelnde Wertschätzung verbunden mit hohem Arbeitsaufwand und geringer wirtschaftlicher Rentabilität, sowie schwindendes Wissen und fehlende Fertigkeiten. Eine Folge davon ist der schlechte Erhaltungszustand vieler Streuobstbestände. Noch dazu erfordern Bewirtschaftung und Pflege der Streuobstflächen, das Züchten und Ernten der Obstbäume sowie die Lagerung und Verarbeitung vom Streuobst umfangreichen Erfahrungsschatz, der die Produktion einzigartig macht.
Tradition wird geschützt
Das Wissen, welches im Rahmen der Kulturform über Jahrhunderte entwickelt, bewahrt und weitergegeben wurde, ist so vielfältig wie die Streuobstbestände selbst. Aus diesem Grund und noch vielen anderen wurde der Streuobstanbau im Jahr 2023 in die nationale Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO eingetragen. Das soll helfen, um ihm wieder Bedeutung zu verleihen. Laut UNESCO-Kommission stiftet der Streuobstanbau in Österreich „sozialen Zusammenhalt, strukturiert den Alltag und ist ein Wiedererkennungsmerkmal für die betroffenen Regionen. Die sowohl innerfamiliäre als auch im Rahmen des öffentlichen Lebens und in Vereinen erfolgende Weitergabe ist ein wichtiges Erfolgskriterium für die Erhaltung.“
Finn erklärt
Immaterielle Kulturerbe sind kulturelle Ausdrucksformen, die unmittelbar von menschlichem Wissen getragen und von Generation zu Generation weitergegeben und weiterentwickelt werden.
Auch die Streuobstlandschaften mit hochstämmigen, großkronigen Obstbäumen sind aus einer landwirtschaftlich-kulturellen Entwicklung entstanden. Noch dazu erfordern Bewirtschaftung und Pflege der Streuobstflächen, das Züchten und Ernten der Obstbäume sowie die Lagerung und Verarbeitung vom Streuobst umfangreichen Erfahrungsschatz, der die Produktion einzigartig macht.